Das Norddeutsche Blasentumorzentrum (BTZ) ist vor rund eineinhalb Jahren in Lübeck gegründet worden. Was kann man sich darunter vorstellen?
Das Norddeutsche Blasentumorzentrum ist ein Netzwerk, das alle für die Behandlung des Blasenkrebses relevanten Experten verschiedener medizinischer Fachgruppen vereint. Unter Beteiligung von Fachärzten der Urologie, der Strahlenheilkunde, Onkologie, Radiologie und Pathologie erarbeiten wir für jeden Patienten die optimale diagnostische und therapeutische Strategie und koordinieren die Nachsorge.
Welche Vorteile bietet das BTZ den Patienten?
Aufgrund der demografischen Entwicklung hin zu einer alternden Gesellschaft ist in den kommenden Jahren von einer steigenden Krankheitslast durch den Harnblasenkrebs auszugehen. Vor diesem Hintergrund haben wir im Juni 2015 das erste Norddeutsche Blasentumorzentrum gegründet. Den Patientinnen und Patienten des BTZ stehen nicht nur alle modernen Diagnostik, und Blasenkrebstherapieformen zur Verfügung, sondern es wird ihnen durch dieses Netzwerk auch ermöglicht, sich im Vorfeld über alle Therapieoptionen durch die jeweiligen Fachexperten umfassend beraten zu lassen. Vom Eintreffen des Patienten im BTZ über die zeitnahe Terminvergabe, Diagnose und Therapie arbeiten die Mitarbeiter des Zentrums nicht nur fachübergreifend, sondern auch eng mit dem Patienten zusammen. Bei Bedarf wird auch der Kontakt zum Psychoonkologen und dem Sozialdienst hergestellt. Ebenso kümmert sich das Team vom BTZ um die Organisation von REHA-Maßnahmen, Krankengymnastik und um den Kontakt zu Krebsberatungsstellen und Selbsthilfegruppen. Jeder BTZ-Patient erhält auf Wunsch während seiner Behandlung eine individuelle Patientenmappe, in der alle wichtigen Befunde und Behandlungsergebnisse dokumentiert sind. Diese stellt jederzeit bei weiteren Behandlungen alle wichtigen Informationen bereit und erspart sowohl Kosten als auch unnötigen zeitlichen Aufwand durch etwaige Doppeluntersuchungen
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Anfang Mai 2016 wurde das BTZ erfolgreich zertifiziert. Was bedeutet die Zertifizierung?
Das Norddeutsche Blasentumorzentrum ist das erste zertifizierte Blasentumorzentrum in Deutschland. Mit der Zertifizierung wird der diagnostische und therapeutische Spitzenstandard des BTZ bestätigt und damit ein wichtiges Qualitätsmerkmal unserer Arbeit. Darüber hinaus unterstreicht die Zertifizierung eine transparente Darstellung des BTZ gegenüber Patientinnen und Patienten, Ärzten, Kostenträgern und der Gesundheitspolitik. Die Abläufe sind dem hohen Standard von Prostatazentren angelehnt.
Welches sind die nächsten Vorhaben im BTZ?
Pro Jahr behandeln wir rund 400 Patienten mit neu diagnostizierten Blasentumoren im BTZ und operieren diese in der Klinik für Urologie der Sana-Kliniken Lübeck. Dabei ist es uns wichtig, unsere Patienten zu begleiten und kontinuierlich über ihre Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Ein Ziel ist, die hohen Qualitätsstandards zu erhalten. Zu unserem Selbstverständnis gehören auch die kontinuierliche berufsbegleitende Aktualisierung und Erweiterung unserer medizinischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten. Daher besuchen wir regelmäßig ärztliche Fortbildungen. Für Interessierte und Patienten stehen wir im Rahmen von Patientenvorträgen als Ansprechpartner zur Verfügung. Darüber hinaus wollen wir uns an Studien beteiligen, die ein wichtiger Bestandteil des medizinischen Fortschritts sind. Der Vorteil für Patienten liegt darin, dass sie Zugang zu neuen Therapiemöglichkeiten und Präventionsstrategien erhalten. Studienteilnehmer werden besonders engmaschig überwacht, damit frühzeitig erkannt werden kann, ob die Therapie wirkt. Darüber hinaus arbeiten wir parallel an der Umsetzung von Erneuerungen im Rahmen der neuen S3-Leitlinie Harnblasenkarzinom.
Welche Rolle spielt dabei die Selbsthilfe?
Selbsthilfegruppen sind eine große Hilfe für Patienten mit Krebserkrankungen. Blasenkrebs ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die in ihren Auswirkungen nicht nur den Erkrankten selbst betrifft, sondern die gesamte Familie und das soziale Umfeld. Bedingt durch eine Einschränkung körperlicher, psychischer oder sozialer Funktionen können die Belastungen zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität von betroffenen Menschen und Angehörigen führen. Sich mit der Diagnose Blasenkrebs nicht allein zu fühlen, zu wissen, dass andere dieses Schicksal teilen und die damit verbundenen Herausforderungen meistern, kann für die Betroffenen eine große Hilfe sein. Als Norddeutsches Blasentumorzentrum haben wir die Gründung der Lübecker Selbsthilfegruppe Blasenkrebs mit begleitet und unterstützen die Arbeit der Selbsthilfe beispielsweise durch Vorträge.
Vielen Dank für das Interview
Rainer Lemke
Dr. Martin Frambach ist Facharzt für Urologie im Norddeutschen Blasentumorzentrum (BTZ)/Urologisches Zentrum Lübeck (UZL) und Chefarzt Urologie der Sana-Kliniken Lübeck Süd. Gemeinsam mit Prof. Dr. Axel S. Merseburger, Direktor der Urologie beim Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck, hat er Anfang März 2016 die Selbsthilfegruppe Blasenkrebs Lübeck gestartet. Die Gruppe trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat um 16 Uhr inder Krankenpflegeschule der Sana-Kliniken Lübeck.